erlebtes

Nürnberger Gemischtes

Ich liebe es zu beobachten. An einem sonnigen Tag könnte ich mich stundenlang an einen belebten Platz setzen und nur Leute beobachten und kategorisieren. Versuchen zu verstehen wie sie ticken, sie einzuordnen, wie sieht ihr Leben aus, sind sie glücklich, sind sie mit sich selbst zufrieden ? Sind sie eher intro- oder extrovertiert ? Sind sie nett ? Eingebildet ? Ledig ? 1000x kleine Fragen, zu jedem Gesicht das an mir vorbei läuft. Es gibt Gesichter, die werden sofort ausgesondert, wieder andere intensiver durchleuchtet.

Warum und wieso ? Keine Ahnung, das geht mir so seit ich denken kann. Hin und wieder, so auch gestern, sorgen Leute aber auch durch ihr verhalten für so viel Aufmerksamkeit, dass sich rasch eine Traube von Passanten um sie versammelt.

2 dieser Personen sind mir gestern vor die Canon gelaufen. Beide treffe ich bestimmt seit 10 oder mehr Jahren immer wieder mal in der Nürnberger Innenstadt. Meist an 2 oder 3 wechselnden Plätzen. Einer davon versammelt die Massen durch seine Taten, der andere nur durch Worte. Ich will beide in genau dieser Reihenfolge vorstellen:

Der Prediger:

Zu finden ist er stets auf einem dieser gusseisernen Müllbehälter. Sein Aussehen scheint sich nicht zu verändern, er wirkt als könnte ihm die Zeit nichts anhaben, als könnte er jeder Veränderung widerstehen. Ich muss voraussenden, die Organisation Kirche, insbesondere die Katholische, ist eine Vereinigung der ich nicht besonders viel ab gewinn kann. Ich toleriere sie, mehr aber nicht. Für mich gibt es keine einzig richtige Glaubensrichtung, jede scheint interessante Werte zu beinhalten, egal ob Islam, Christentum, Buddhismus, oder welche auch immer.

Unser Protagonist, der Prediger scheint sein Leben seinem Glauben unterzuordnen. Er ist ein begnadeter Rethoriker, der den wahren göttlichen Glauben zu vermitteln versucht. Religiöser Spinner, werden die meisten Besucher denken, ja vermutlich. Doch die Intensität und auch seine Wortwahl erscheinen fast bewunderswert. Schafft er es doch auch sehr glaubenskritische Menschen zum Zuhören zu animieren, obwohl sie weniger dem Inhalt seiner Worte, als der Art wie er sie vorträgt zu lauschen.

Auch wenn ich seine Auffassungen nur zu einem geringen Bereich teile, respektiere ich ihn doch als aussergewöhnliche Persönlichkeit in einer oft so angepassten Welt.

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Protagonist Nr. 2, der Turner.

Auch er begleitet mich seit vielen Jahren bei meinen Besuchen in der Innenstadt. Ich bewundere ihn, für seine arthistische Leistung, für sein Durchhaltevermögen, für sein positive Lebenseinstellungen. Unvorstellbar wie viel Kraft für derartige Kunststücke notwendig sind. Fast immer werfe ich ihm 1 oder 2 Euro in seinen Sammelbecher, wenn ich ihn sehe. Leider halten sich viele Menschen nicht an die ungeschriebenen Spielregeln: Finde ich die Darbietung interessant und sehe sie mir an, sollte ich doch auch etwas Geld in den Sammelbecher werfen.

Ich mag diese knieenden, demütig nach unten blickenden Nichtstuer nicht, die um Geld betteln. Jemand der sich sein Geld „verdient“ und mich unterhält, zum Staunen bringt oder inspiriert, verdient auch einen kleinen Betrag.

Ich habe ihn gestern gefragt wie alt er ist. 72 Jahre. Ja, 72, kein Schreibfehler. Man stelle sich manch Sportschau sehenden Bundesbürger vor, im Unterhemd, mit geschätzten 20 Kilo Überhang unterhalb der Brust bei gerade mal 40 Lenzen.

ja, dieser Herr ist bemerkenswert. Ich hoffe er fasziniert Nürnberg noch viele Jahre:

72 Jahre alt

Und dann wäre da noch das Ehekarussell. So viele Jahre laufe ich schon daran vorbei und trotzdem hat es nichts von seiner Faszination verloren. Gestern bot sich ein tolles Lichtspiel an der höchsten Figur des aussergewöhnlichen Brunnens. Mit diesem Bild endet auch diese kleiner Exkurs meiner Heimatstadt.

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Sonne und Canon rufen nach neuen Taten 🙂

7 Comments

  • Sisou

    *g* Ich schließe mich Hans an. 😉 Dieser Turner ist ja unglaublich. Wie lange dieser Mann wohl trainiert hat, um seinen Körper so zu beherrschen… faszinierend.

  • crosa

    @hans
    ja, vor allem in diesem hohen alter

    @ronnie
    ja, doch, auf jeden fall 🙂

    @sisou
    wenn ich ihn das nächste mal sehe, werde ich ihn mal fragen 🙂

  • hilli

    ich mag diesen bericht; ich mag es, wie du ihn geschrieben hast und ich mag das thema generell, weil ich mich ebenso wie du dabei ertappe, dass ich menschen beobachte und mir die gleichen fragen stelle. schön ist es, wenn man mit jemandem zusammen vermutungen über personen anstellen kann; wie oft stellt sich dann heraus, dass allein schon zwei menschen den einen ganz unterschiedlich betrachten… menschen sind einfach faszinierend und (achtung outing ;-)) eines meiner größten hobbies 🙂

    danke onkel crosa für diesen tollen einblick in dich!

  • Paladin Sacrosanctus

    Irgendwie beruhigend, wenn man liest, dass andere Menschen manchmal „genau das selbe“ tun wie man selbst; da kommt man sich gleich „weniger abartig vor“ 😀
    Wie ich es mal ausgedrückt habe: Everything and everyone tells a story. Klar kann man nur immer seine eigene Sicht interpretativ auf andere Menschen aufprojizieren. Erstaunlich ist es allemal. Entweder weil man ins Schwarze getroffen hat oder vollkommen daneben lag. Eins steht jedenfalls fest: Selbst wenn ich mal längere Zeit auf jemanden warten muss; langweilig wird’s bestimmt nicht: Und wenn man die Spuren an der Sandsteinwand auf der anderen Straßenseite betrachtet und sich versucht vorzustellen wie diese Spuren dort gelandet sind.

  • crosa

    @hilli + Paladin

    und ich freu mich über eure kommentare, ich hab gehofft genau so einen zu bekommen, als ich das geschrieben habe. ich konnt das eh erst abends schreiben, als wir in der stadt waren hatte ich mein telefon vergessen (ausziehtastatur) es sind ja immer diese eher persönlichen Eindrücke die ich in andern Blogs so gerne lese. und zu lesen das leser genauso ticken, ja das freut einen natürlich noch mehr.

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