Der perfekte Moment
Gerade aus dem Krankenhaus raus und auf nach Hause, der Garten wartet auf eine Abkühlung. 27.5 Grad im Auto. Links neben mir wird in der Nase gepopelt als gäbe es dort oben irgendwo einen Klumpen Gold. Rechts neben mir wird gestritten. Vor mir eine lange Autoschlange, hinter mir der selbe Anblick. Geschwindigkeit 0 km/h. Mein Radiosender heisst „Z“ und es läuft Massive Attack mit Unfinished Sympathy. Für viele von uns vermutlich ein Moment der Verzweiflung. Feierabend Verkehr, Stau, jede Menge unerledigter Aufgaben liegen vor uns, die Woche scheint nicht enden zu wollen, und es ist verflucht warm.
Doch es ist anders. Es ist einer dieser Momente. Ich kann diese Momente nicht erklären, nur hoffen sie möglichst gut zu beschreiben und darauf zu bauen dass auch andere sie so erleben. Sie dauern meist nicht lange an, kommen völlig unerwartet und lassen sich leider nicht festhalten. Genau so einen Moment habe ich erlebt. Im Stau, bei fast 30° und ich wurde mir dessen Bewusst, und es war wieder wunderschön.
Wie lässt sich dieser Moment beschreiben ? Die Subatomare Ebene der Gleichgewichte erreicht haben ? Nein. Eher dieses mit sich selber völlig im reinen zu sein. Sich keine Gedanken über gestern, heute oder morgen zu machen. Einfach alles auszublenden und nur den Moment um seiner selbst willen geniessen. Alles prallt ab, nichts kann diesen imaginären Schutzschild durchdringen. Eine Art mentaler Dauerorgasmus. In so einem Moment könnte es auch 40° haben, der Stau könnte 200 KM lang sein, egal, dieser eine bewusste Moment lässt alles abprallen wie ein Schutzpanzer.
Wie schön wäre es, diesen Moment in Dosen abzufüllen, quasi ein Stück perfekter Moment zum Auspacken bei Bedarf. Doch so bewusst dieser Moment auch ist, so sicher ist auch dass er nicht lange andauern. Schon keimt die Angst ihn gleich wieder zu verlieren, zurück zu den vermeintlich so wichtigen Dingen die unser Leben bestimmen und tatsächlich gerade zu völligen Nebensächlichkeiten verpuffen.
Schon blicke ich auf, sehe ich auf, zu dem Auto vor mir, zum Auto davor, immer weiter bis ans vermeintliche Ende des Staus und ertappe mich beim rechnen: Wie
lange bis heim ? Wie lange Katze begrüssen ? Erst Garten giessen oder erst Studio ? Was essen ? Ist noch Milch da ? Welche Pflanze am Balkon benötigt am meisten Wasser ? Was ist morgen das wichtigste @work ? Was darf ich auf gar keinen Fall vergessen ?
Und schon wird mir bewusst, der Moment gleitet mir durch die Finger…. Doch ich weiß, es wird wieder einer kommen. Und ich werde ihn wieder geniessen, ganz bestimmt….
8 Comments
Jamaicaneisbaer
Ich denke das nennt man Anerkennung…. man sieht sich für einen Moment lang objektiv, denkt, man war grad bei der Frau im Krankenhaus, soviele Aufgaben warten auf einen, man (n) ist was wert, wird gebraucht, fühlt sich geliebt, geborgen und gleichzeitig irgendwie so frei… ich kenn das auch… und komisch mir passiert sowas auch meistens im Auto, zwar nicht im stau aber trotzdem find ichs lol *g* wenn dann noch ein emotional geladenes Lied kommt da tropfts auch schonmal… aber sonst bin ich schon ein ganz großer *g* Ich denk auch oft an solche momente… Schön das ich nich „allein“ bin *g*
Christine
Schön geschrieben. Poetisch.
matze
schön das du auch zu den menschen gehörst die es schaffen auch mal einen schritt zurückzutreten und sich umzuschauen, mal kurz anzuhalten und sich bewußt zu werden, statt nur in ihrem ego zu verfallen und ner karriere hinterher zu hecheln 🙂
Frau W.
Schön, wenn man einfach mal nur den Augenblick in der Gegenwart genießen kann, oder? *lach* Über den mentalen Dauerorgasmus musste ich lachen.
Krieg ich den auch, wenn ich das „richtige“ Shampoo benutze? 😎
crosa
@eisbaer
ja, auto + musik scheinen das zu erleichtern. Frau Crosa meinte gestern, wenn man relativ viel um die Ohren hat, wäre das so eine Art Schutzfunktion der Psyche, klingt auch interessant..
@christine
Danke. Halt ungefiltert vom Hirn (eigentlich eher bauch) in die Tastatur
@matze
das höher schneller weiter habe ich schon länger als unpassend entdeckt 😉
Frau W.
Ja, ist wirklich wunderschön. mentaler Dauerorgasmus, ich fand keine bessere Beschreibung 😉 WENN du ein Shampoo findest, sag mir bitte sofort welches das ist, würde mir auf der Stelle eine ganzen Karton voll kaufen 😉
Paleica
diese momente sind wunderbar. einfach ganz toll. aber dadurch, dass sie selten sind und flüchtig, dadurch werden sie erst richtig besonders.
klar konnte ichs nicht lassen auf den beitrag oben zu klicken. gruslig. ich hätts nicht tun sollen +schauder+
aber danke hier mal für die erinnerung an diese wunderbaren momente. das sind bei mir oft die, an denen ich allein im auto sitze, unvermittelt und unterbewusst lauter drehe und mit nem grinsen im gesicht lauthalt mitsinge. das glück fühle…
crosa
Die beste Methode sich weniger zu ekeln, ist sich sleber öfter damit zu konfrontieren. Und mit so einem Bild geht das ja recht „risikolos“.
„das Glück fühlen“ ja, das beschreibt es sehr treffend 🙂
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