verloren
Ich hatte dieses kleine Detail schon fast wieder vergessen. Es war Freitag Morgen. Wie jeden Wochentag war ich spät dran und verdammt müde. Ich hatte es geschafft, der Kerl war gewaschen, hatte sich in Klamotten gestopft und wollte eigentlich gerade das Haus verlassen. Beim schnüren des rechten Schuhs wurde es mir dann bewusst.
Die Katze drehte am Rad. Natürlich nicht wörtlich gemeint. Vielmehr lief sie aufgeregt am Schuhschrank entlang als ob dahinter ein Brad-Pit-Kater stecken würde. Sie jammerte als würde es kein Morgen geben. Frau Crosa wusste auch keinen rechten Rad was der Auslöser für die Katzenmusik sein könnte. Wir tippten auf einen Käfer oder Spinne und folgten unserer Morgenroutine.
Als ich Freitag Mittag (ja, 7 Uhr Arbeitsbeginn hat auch Vorteile, Freitag Mittag sind nämlich 40 Arbeitsstunden erreicht ;)) die Haustür öffnete und in den Flur blickte, vielen mir schlagartig die Ereignisse des frühen Morgens ein. Ich erblickte in die Ursache des Katzenjammers. Ein kleiner Vogel sah mich hilflos mit weit aufgerissenen schwarzen ängstlichen Augen an. Sein linker Flügel hing in einem unnatürlichen Winkel alles andere als gesund weg. Panik überkam mich. *Fuck*… Das war es also. Der arme kleine Piepmatz muss durch das Katzengitter auf den Balkon geflogen sein und bis hier runter gejagt worden sein. Vermutlich fand das arme Ding Schutz hinter dem Schuhschrank.
Schnell hoch, Katze am Balkon, Katzenklappe verriegelt und nachdenken. Ich lasse die Haustür auf und hoffe der kleine findet zurück in die Freiheit. Tut er aber nicht. Er versteckt sich unter dem Schrank. Mist. Ich rufe Frau Crosa an. Sie erinnert mich an den Hasenkäfig im Keller. Ich renne zum Teich, hole mir einen Kescher und versuche den kleinen zu fangen. Mir wird schnell klar, der Flügel sieht nicht gut aus und dem Vogel gehts gar nicht gut. Niemals hätte ich es sonst geschafft in zu fangen. Da saß er nun vor mir in dem kleinen Käfig, blickte mich mit ängstlichen Augen an.
Tierarzt, klar. Die Idee. Ja, ich kann sofort vorbeikommen. Käfig unter den Arm und ab in die Tierklinik. Max. eine halbe Stünde müsste ich warten. Nach 10 Minuten komme ich dran. Frau Doktor öffnet den Käfig, der kleine entkommt und versteckt sich unter dem Schreibtisch. Mit einem Handtuch wird der kleine gefangen. Die fachmännische Blick der Doktorin verheisst nichts gutes. Sie hat den Vogel in der einen Hand und zeigt mir mit der anderen die Verletzungen. Unterhalb des Flügels ist trockenes Blut, eine grössere Wunde ist erkennbar. Flehend sehe ich ihr in die Augen. Sie senkt die Lieder und deutet ein Kopfschütteln an.
Meine Augen füllen sich mit Wasser, mir ist klar was gleich passieren wird. Frau Doktor sagt, wir können nicht tun, ihn nur erlösen. Ob ich die Spritze aufziehen könne, sie hätte nur eine Hand frei und mag den kleinen nicht noch mal ablegen. Ich ziehe die Spritze auf wie 100x in Filmen gesehen. Ich sage noch, ich muss jetzt etwas verspritzen, damit die Luft raus geht ? Sie sieht mich an und sagt, in diesem Fall ist es egal. Fuck, sie hat recht, das macht die Situation nicht gerade leichter ertragbar. Sie setzt ihm die Spritze und wir streicheln ihm beide nochmals mit dem Finger übers Gefieder und ich verabschiede mich.
Ich frag nach einer Schachtel, erkläre dass ich den kleinen nicht hier entsorgt haben will. Sie zeigt Verständnis und packt den leblosen Körper in eine kleine Schachtel. Die Heimfahrt ist… verdammt traurig. Auf dem Weg zum Arzt hatte ich noch versucht so vorsichtig wir nur irgendwie möglich zu fahren, auf dem Heimweg erscheint das sinnlos.
Ich schnappe mir die Schaufel und begrabe den kleinen unter der Linde…
Man kann nicht immer gewinnen…
6 Comments
AndiBerlin
Ach herjeh wie herzergreifend. Armes Vögelchen. 😥
Aber hey, Du hast Dein bestmögliches getan. Und ist es nicht nur das Ergebnis was zählt, sondern auch die Tat?
Matthias
Wie Schade! 🙁
Aber du hast sehr guten Einsatz und Mitgefühl gezeigt…
crosa
@andi
ja, aber wer könnte anders, wenn er in diese ängstlichen Augen blickt ?
@matthias
ich hoffe doch, das ist normal..
DieHausfrau
Was für ein aufwühlendes, trauriges Erlebnis.
Schade, dass Dein Einsatz nicht „belohnt“ wurde.
🙁
Crosa
@DieHausfrau
Wenigstens weniger leiden musst er. Wäre es ein anderer Wochentag gewesen, wäre ich nicht vor 17.30 zu Hause gewesen…
Cecie
lieber crosa, das mag sich pathetisch anhören, aber ich finde, du hast gewonnen. wir alle. dadurch, dass wir solche dinge passieren lassen. sich so einzusetzen und dann ein tier gehen lassen, dazu gehört ganz viel und solche menschen sind rar gesäht. was interessiert denn oft ein kleiner vogel…
ich hab neulich abends einen toten mauersegler hinter der tür gefunden. ich fürchte, das gehört zu katzen dazu, aber besser macht es das trotzdem nicht. vielleicht hat der nächste kleine vogel bessere chancen – so wie der mauersegler vom letzten jahr, der mit nem schreck davonkam, auf der wiese vorm haus freigelassen wurde und wieder zu seinen kollegen davonflog…